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Prof. Dr. Werner Wilhelm Engelhardt

Vita

Prof. Dr. Werner Wilhelm Engelhardt wurde am 13. Februar 1926 in Neudorf (Harz), Land Sachsen-Anhalt, geboren. Nach Erlangung der Mittleren Reife an einer Mittelschule in Harzgerode, Landkreis Ballenstedt/Quedlinburg, kaufmännischer Grundausbildung in der Leichtmetall-Industrie und dem Bestehen der Sonderreifeprüfung in Halle/Saale studierte er ab dem ersten Nachkriegssemester 1945 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Volkswirtschaftslehre.

Seine Lehrer waren die den Traditionen der Sozialrechtlichen Schule und vor allem den beiden Historischen Schulen der Nationalökonomie verbundenen Professoren Albert Hesse, Georg Jahn, Waldemar Mitscherlich und Hans Gehrig. Bei letzterem Universitätslehrer schrieb er 1948 die Hausarbeit zur volkswirtschaftlichen Diplomprüfung zu dem (von ihm nicht selbst gewählten) Thema "Thünens "exakte" Wirtschaftstheorie ist nach Methode und Hauptergebnissen zu schildern". Die Arbeit wurde "Mit Auszeichnung" bewertet und führte zu einer lebenslangen Beschäftigung Engelhardts mit dem Lebenswerk dieses Klassikers, die noch immer nicht beendet ist.

Ab 1951 setzte Engelhardt sein Studium im anderen Teil Deutschlands an der Universität zu Köln fort. Bei Alfred Müller-Armack, Erich Gutenberg, René König, Gerhard Weisser sowie weiteren Professoren erstreckte es sich nun auch auf philosophische und andere Grundlagenfragen der Wissenschaften, auf die Betriebswirtschaftslehre und auf im engeren Sinne sozialwissenschaftliche Fächer, wie Soziologie, Politologie und Sozialpolitiklehre.

Nach einem Volontariat in der Baustoffindustrie noch in Halle und einer kurzen Assistentenzeit bei Gehrig, die in der DDR aus politischen Gründen nicht fortgesetzt werden konnte, war Engelhardt viele Jahre Assistent von Gerhard Weisser an dem nach dem Zweiten Weltkriege reaktivierten Seminar für Genossenschaftswesen der Kölner Universität und bereitete in dessen Auftrag die 1955 erfolgte Gründung des Vereins zur Förderung der genossenschaftswissenschaftlichen Forschung an der Universität Köln e.V. vor.

Auch an den umfangreichen explikativen und normativen sozial- und gesellschaftspolitikwissenschaftlichen, allgemeinpolitik-, verwaltungs- und wohnungswissenschaftlichen (insbesondere "frei-gemeinwirtschaftlichen" bzw. "frei-gemeinnützigen") und den wissenschaftstheoretisch-erkenntniskritischen Lehrprogrammen und Forschungsaktivitäten Weissers beteiligte er sich intensiv. Engelhardt wurde 1957 an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Kölner Universität mit einer wissenschaftstheoretisch-betriebswirtschaftlichen Arbeit zum Thema "Grundprobleme der Einzelwirtschaftstypologie" magna cum laude promoviert.

Er habilitierte sich 1968 an der gleichen Fakultät mit dem genossenschaftswissenschaftlich-soziologischen Thema "Utopie und Genossenschaft. Die Entstehung gesellschaftlicher Gefüge und Konzeptionen unter dem Einfluß von Leitbildern". Die Dissertation ist vor allem ein Beitrag zu einer weiterentwickelten struktur- und personenbezogenen Morphologie der Betriebswirtschaftslehre. Die Habilitationsschrift versucht dem Thema der Utopie-Inhalte, das im Anschluß an frühere Erörterungen bekanntlich im politischen Raum der 70er Jahre wieder vehement diskutiert worden ist - vielfach auch unter Benutzung der Bezeichnungen "Leitbild" und "Vision" - wissenschaftstheoretisch gerecht zu werden.

1971 wurde Engelhardt von der Wissenschaftsministerin des Landes Nordrhein-Westfalen zum Wissenschaftlichen Rat und Professor für Sozialpolitik, einschließlich Genossenschaftswesen, an der Kölner Universität ernannt. 1972 erlangte er an dieser Hochschule auch die venia legendi für Wirtschaftliche Staatswissenschaften und nahm dort zusätzlich eine volkswirtschaftliche Lehrtätigkeit auf, die sich vor allem auf dogmenhistorische Fragen des Faches erstreckte. Vorlesungs- und Seminarthemen betrafen auch Konzentrationsfragen der Industrie und des Handels, die Agrar-, Mittelstands-, Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltpolitik sowie die umfangreichen Gebiete des Gewerkschaftswesens und der gesamten Entwicklungsländerpolitik.

Seit 1975 hielt er ausserdem regelmäßig Lehrveranstaltungen zur Sozialpolitik, sei es durch den Staat oder durch Selbsthilfegruppen, an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Köln (bis 1999). Einem an ihn 1973 ergangenen Ruf auf ein betriebswirtschaftliches Ordinariat für das Gebiet des Handels an der Universität (Gesamthochschule) Siegen folgte Engelhardt nicht. Maßgebend für diese Entscheidung waren für ihn vor allem Gründe der dauerhaften Bestandserhaltung des Kölner Genossenschaftsseminars, das bereits in der NS-Zeit starken Behinderungen unterworfen worden war und in einer wiederum politisch bewegten Zeit erneut Schließungserwägungen ausgesetzt wurde. Für die Jahre 1975-1977 wurde Engelhardt zum kommissarischen Direktor des Seminars ernannt.

Engelhardt gehört seit langem mehreren Forschungsgesellschaften und Beratungsgremien an, in die er zahlreiche wissenschaftliche Beiträge eingebracht und zur Diskussion gestellt hat. So gehört er seit den 50er Jahren dem Verein für Socialpolitik - Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an, dessen Ausschüsse für Sozialpolitik und für Wirtschaftssysteme-Institutionenökonomik ihn kooptiert haben. Seit der auf Georg Draheim und Eberhard Dülfer zurückgehenden Gründung der Arbeitsgemeinschaft genossenschaftswissenschaftlicher Institute ist er an deren Vorträgen und Diskussionen beteiligt, bereits vor seiner Emeritierung auch als persönliches Mitglied.

Auch ist er seit den 70er Jahren ordentliches Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für Öffentliche Wirtschaft, und er hat als solches an der Arbeit zahlreicher Gremien und Veröffentlichungen dieses Beirats mitgewirkt. Zusammen mit Helmut Cox, Lothar F. Neumann, Karl Oettle und Theo Thiemeyer gab er in der Nachfolge Gerhard Weissers in den Jahren 1979-1985 das "Archiv für öffentliche und freigemeinnützige Unternehmen" heraus.

Zunächst zusammen mit Theo Thiemeyer, später auch mit Dietrich Budäus, Friedrich Fürstenberg, Robert Hettlage und Frank-Schulz-Nieswandt veröffentlicht er von 1980 an im Verlag Duncker & Humblot die "Schriften zum Genossenschaftswesen und zur Öffentlichen Wirtschaft" (inzwischen 36 Bände). Zusammen mit Jürgen Zerche und zahlreichen weiteren Kollegen ist er auch Initiator der "Kölner Schriften zur Sozial- und Wirtschaftspolitik", die seit 1986 im Regensburger Transfer-Verlag erscheinen (zur Zeit liegen 43 Bände vor).

Forschung und Würdigung

Engelhardts Position ist sowohl kritizistisch im Sinne Immanuel Kants und Gerhard Weissers als auch kritisch-rationalistisch im Sinne Karl R. Poppers und Hans Alberts geprägt. Sein Forschungsansatz bezieht sowohl anthropologische und utopieorientierte Probleme, weiterhin sozial- und wirtschaftshistorische Fragen, insbesondere aber kombiniert historisch-theoretische Problemstellungen der Volks- und Betriebswirtschaftslehre sowie der angrenzenden Sozialwissenschaften ein. Von Anfang an überwogen bei ihm Arbeiten, die als eindeutig gemeinwohlorientiert und institutionalistisch oder auch als ordnungs- und verfassungstheoretisch orientiert einzustufen sind.

Einführungen in sein Gesamtwerk bieten die folgenden drei Abhandlungen:

"Grundprobleme einer personalen Anthropologie und kritizistischen Gemeinwohlkonzeption", in: "Sozialpolitik und öffentliche Wirtschaft", hrsg. von Lothar F. Neumann und Frank-Schulz-Nieswandt (Duncker & Humblot, Berlin 1995, S. 75-113)

"Ökonomische Denktraditionen, Ökonomismus versus Ethik und die kulturellen Aufgaben der Zukunft", in: "Ökonomie in gesellschaftlicher Verantwortung", hrsg. von Wolfram Elsner, Werner Wilhelm Engelhardt und Werner Glastetter (Duncker & Humblot, Berlin 1998, S. 19-43)

"Politisches Handeln nach utopischen Entwürfen und Ideologien, am Beispiel der Genossenschaften und der Sozialpolitik idealtypisch erörtert", in: "Der Wohlstand der Personen", hrsg. von Fritz Helmedag und Norbert Reuter (Metropolis-Verlag, Marburg 1999, S. 153-184).

Zur Orientierung über Engelhardts Werk vergleiche man auch die folgenden Beiträge:

"Bemerkungen zum "Dritten" bzw. "Nonprofit-Sektor", zu dessen Binnendynamik und zur Kommunitarismus-Debatte", in: "Gestaltungsoptionen in modernen Gesellschaften", hrsg. von Werner Schönig und Ingrid Schmale, (Transfer-Verlag, Regensburg 1998, S. 275-305)

"Hybride Organisationsformen des ?Dritten? bzw. ?Nonprofit?-Sektors und die künftige Verwaltungsreform", in: "Organisationswandel öffentlicher Aufgabenwahrnehmung", hrsg. von Dietrich Budäus (Nomos, Baden-Baden 1998, S. 177-207)

"Genossenschaften als Betriebe und Gruppen im öffentlichen und privaten Interesse", in: "Stand und Perspektiven der Öffentlichen Betriebswirtschaftslehre", hrsg. von Dietmar Bräunig und Dorothea Greiling (Berlin-Verlag, Berlin 1999, S. 244-253)

"Zu den Grundlagen wissenschaftlicher Sozialpolitiklehre", in: "Sozialpolitik und Sozialökonomik", hrsg. von Uwe Jens und Hajo Romahn (Metropolis-Verlag, Marburg 2000, S. 11-27)

"Zur Charakterisierung der NPO im Lichte herkömmlicher deutschsprachiger Ansätze: Einige grundsätzliche Bemerkungen, vor allem zum Benennungs-, Utopie- und Genossenschaftsproblem", in: "Nonprofit-Organisationen und gesellschaftliche Entwicklung: Spannungsfeld zwischen Mission und Ökonomie", hrsg. von Reinbert Schauer, Robert Purtschert und Dieter Witt (Universitätsverlag Rudolf Trauner, Linz 2002, S. 474-494).Zur wissenschaftlichen Würdigung Engelhardts siehe vor allem die ihm gewidmete Festschrift "Einzelwirtschaften und Sozialpolitik zwischen Markt und Staat in Industrie- und Entwicklungsländern", hrsg. von Frank Schulz-Nieswandt unter Mitwirkung von Karl-Heinz Reich und Hajo Romahn (Metropolis-Verlag, Marburg 2001, 566 Seiten).

Siehe auch

Peter Eichhorn, "W.W. Engelhardt 65", in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, Band 14, Heft 1, 1991, S. 112-114

Jürgen Zerche, "Werner Wilhelm Engelhardt zum 75. Geburtstag", in: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, Band 51, Heft 1, 2001, S. 54-55

Frank Schulz-Nieswandt, "Jenseits der ?reinen? Lehre: Die Sozialpolitiklehre und die Morphologie gesellschaftspolitisch relevanter Einzelwirtschaften. Prof. Dr. Werner Wilhelm Engelhardt zum 77. Geburtstag", in: Sozialer Fortschritt, Jg. 52, Heft 2, 2003, S. 54 f.

Siegfried Katterle, "Rezension" von Engelhardt W.W., Sozial- und Gesellschaftspolitik - grundlagenbezogen diskutiert, Berlin: Duncker & Humblot, 2001, in: Sozialer Fortschritt, ebd., 2003, S. 55 f.

Publikationen

Neben bisher relativ wenigen Publikationen in Buchform (insgesamt 8) gibt es von Engelhardt zahlreiche größere und kleinere Beiträge in Sammelwerken, Festschriften, Handwörterbüchern sowie in wissenschaftlichen und Verbands- Zeitschriften (bis 2003 zusammen über 400 Beiträge). Die wichtigsten Veröffentlichungen aus seiner Feder dürften bislang in Sammelwerk- und Festschriftbeiträgen enthalten sein.

Seine wichtigste genossenschaftswissenschaftliche Buch-Veröffentlichung mit zahlreichen utopietheoretischen Bezügen ist bislang die "Allgemeine Ideengeschichte des Genossenschaftswesens" (Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1985). Vergleiche zu diesem Bereich zuletzt auch die Abhandlung "Zur Begriffsbestimmung, Interpretation und Problematik des Handelns von Genossenschaften" (in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, Band 23, Heft 2, 2000, S. 170-198).

Wesentliche Beiträge in englischer Sprache über "Classification an Typologies of Cooperatives", "Conceptions, Cooperative", "History of Cooperative Ideas" und "Theory and Science of Cooperation" sind enthalten im "International Handbook of Cooperative Organisations", edited by Eberhard Dülfer in cooperation with Juhani Laurinkari (Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1994, pp. 100-106, 135-142, 424-429 und 871-879).

Zahlreiche ältere Beiträge zur Sozialpolitik von oben (durch den Staat) oder von unten (durch Selbsthilfegruppen) wurden von Engelhardt neuerdings zusammengefaßt in dem Band "Sozial- und Gesellschaftspolitik - grundlagenbezogen diskutiert" (Duncker & Humblot, Berlin 2001).

Zu Thünen, zur Thünen-Forschung und zu angrenzenden Fragen liegen von Engelhardt zur Zeit drei Buchveröffentlichungen vor: "von Thünen und die soziale Frage" (2. Auflage, Transfer-Verlag, Regensburg 2000), "Beiträge zur Thünen-Forschung" (ebd., Regensburg 2000) sowie "Johann Heinrich von Thünen über die "Freiheit" des Marktes und den "Zwang" des Staates - Zur 225. Wiederkehr seines Geburtstages", in: Gunther Viereck, Martin Buchsteiner (Hrsg.): Thünen - Jahrbuch 3, Rostock 2008.

Stärkere Beachtung fand bereits ein neuer Aufsatz "J.H. von Thünen als Vorläufer der Sozialen Marktwirtschaft", in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen.