Zukünftige Entwicklungen der genossenschaftlichen Bankenverbünde in Europa (am Beispiel Niederlande, Italien, Schweden, Schweiz)
Die Entwicklung der Genossenschaftspraxis und des Genossenschaftsrechts verlief in den europäischen Staaten recht unterschiedlich. Mit den Harmonisierungsbestrebungen innerhalb der Europäischen Union, welche eine Angleichung der gesetzlichen Grundlagen der Genossenschaften zur Folge haben werden, rückte seit Anfang der 90er Jahre die Diskussion um die Unterschiede der genossenschaftlichen Wirtschafts- und Rechtsformen in Europa in den Blickpunkt auch der Genossenschaftswissenschaft. Dies führte zu verschiedenen Darstellungen der genossenschaftlichen Wirtschaftsformen und Analysen der rechtlichen Rahmenbedingungen in europäischen Staaten. Hauptsächlich werden dabei Primärgenossenschaften und Bedingungen für solche Unternehmen untersucht.
Seit Mitte der 80er Jahre sind zugleich die Umfeldbedingungen für Banken starken Änderungen unterworfen. Stichworte sind hier: Deregulierung, Globalisierung, Securitization, Änderungen in den Informations- und Kommunikationstechnologien etc. Die Banken antworten auf diese geänderten Umfeldbedingungen mit Neuausrichtungen ihrer geschäftspolitischen Strategien, so dass die bankwirtschaftlichen Unternehmens- und Leistungsstrukturen internationalisiert wurden.
In diesem Projekt geht es nun um eine Analyse der genossenschaftlichen Bankenverbünde in ausgewählten europäischen Ländern. Diese genossenschaftlichen Bankenverbünde bestehen aus einer Vielzahl zum Teil sehr kleiner Unternehmenseinheiten auf Primärbankenebene, welche ihre Wettbewerbsfähigkeit als universelle Anbieter von Finanzdienstleistungen allein nicht aufrecht erhalten könnten. Durch das jeweilige Verbundsystem ist es möglich, dass diese Primärbanken eine bedeutende Position im Finanzdienstleistungswettbewerb erreicht haben. Aus Sicht der Transaktionskostentheorie ist der strukturelle Aufbau der Verbundsysteme als eine reale organisatorische Alternative zu den vorherrschenden Konzernstrukturen der konkurrierenden Finanzdienstleister zu betrachten.
Neben einer Darstellung und Analyse der Verbundsysteme in ausgewählten europäischen Ländern geht es um die Frage nach der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit dieser in Verbünden organisierten Primärbanken im jeweiligen nationalen sowie internationalen Kontext.
Die Auswahl der Länder erfolgte unter folgenden forschungsstrategischen Überlegungen: mit der Berücksichtigung Schwedens, der Niederlande und Italiens ist die Nord-Süd-Ausdehnung der EU erfasst. Während Italien und die Niederlande von Anfang an Mitgliedsstaaten der EU bzw. der EWG sind, gehört Schweden zu den neueren EU-Mitgliedsstaaten. Die Schweiz mit ihrer reichen Genossenschaftstradition, im Zentrum Europas gelegen, ist kein EU-Mitglied und unterliegt nicht den EU-Harmonisierungsbestrebungen. Hier ist es interessant zu sehen, ob die in den anderen Ländern festgestellten Entwicklungen der Verbundssysteme sich deutlich von der schweizer Entwicklung unterscheiden oder ob parallele Entwicklungen feststellbar sind.
Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Zerche, Prof. Dr. Dr. Juhani Laurinkari, Dr. Agnes Lewe, Dipl.-Volksw. Sozw. R. Tillmann Henkel
01.08.2002 bis 31.12.2003